Gregor McEwan - Autumn Falls EP (VÖ: 16/10/20)
Ein Pressetext von Jörkk Mechenbier
Gregor McEwan? Ist das nicht der Typ aus Highlander?! Nein, natürlich nicht! Das ist der Typ, den ich eines Morgens im Frühstücksraum eines Kölner Hostels kennengelernt hatte, nachdem wir beide am Abend zuvor bei einem Festival aufgetreten waren. Er war schon wach. Ich war noch wach! Ich meine mich sogar zu erinnern, dass er mir mit dem Zucker und der Kaffeetasse geholfen hat, weil ich nicht einmal mehr das richtig hinbekommen hatte. Einerseits vielleicht ein wenig peinlich, andererseits blieb mir dadurch die Erinnerung an einen hilfsbereiten, sympathischen jungen Mann im Gedächtnis. Hätte er gewusst, dass ich ihn so abgespeichert hatte, hätte er mich wohl zweifelsohne einfach so gefragt, ob ich ihm nicht ein paar Worte über seine neue EP "Autumn Falls" schreiben könnte, anstatt sich genötigt zu fühlen, der ‚Attention Whore‘ Jörkk Mechenbier ein Micro-Feature im Song "Halloween Costume" in Aussicht zu stellen. Wenn Sie die EP - und im Speziellen diesen besagten Song - nun also zum Zwecke einer Rezension hören und an einer Stelle kurzzeitig das Gefühl haben, dass dem Produktions-Duo Thies Neu & Gregor McEwan hier beim Mischen ein minimaler Patzer unterlaufen sein könnte, McEwan mitten im Lied einen temporären Riss seiner ansonsten gülden schimmernden Stimmbänder ereilt hat... oder gar glauben, eine rostige Gießkanne hätte kurz den Part des Sängers übernommen, dann kann ich Sie beruhigen: Sie haben den Moment erhascht, in dem auch ich ganz kurz auf dieser EP ‚gesanglich‘ vertreten sein darf. Sehen Sie es ihm also bitte nach!
Der gute Linus Volkmann schrieb im Pressetext zur letzten "Spring Forward EP", dass es sich dabei nicht um einen (musikalisch gesehen) „komischen Kramladen“ handelt, was löblich gemeint und im von ihm geschaffenen Kontext natürlich auch vollkommen richtig war. Ich selbst möchte jedoch hier und jetzt gerne genau dieses Bild bemühen, es aber positiv konnotiert wissen. Denn der ganze geile Kram, den Gregor McEwan in seinem musikalischen Bauchladen feilbietet, kann sich durchweg sehen bzw. hören lassen und fügt faszinierend häufig - und vor allem auf einzigartige Weise - scheinbar vollkommen unvereinbare Elemente zu einem homogenen Ganzen zusammen. Ja, hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein! Denn wie in einem charmanten, kleinen Laden mit stilsicherem Interieur und einem Angebot, bei dem man erst nicht weiß, was man erstehen soll, nur um dann einfach alles zu kaufen... so schickt sich diese EP an, der Hörerschaft ein verzaubertes „Ohhh!“ und ein zufriedenes „Ahhh!“ nach dem anderen abzutrotzen. Üppig instrumentiert kommt sie daher, diese kleine und doch breitschultrig auftretende EP. Große Gefühle in warmen Wohlklang gewickelt, fernab der weinerlichen Klischees, die viele andere bemühen, um eine solche Atmosphäre zu schaffen, wie es McEwan immer wieder gelingt. Jeder Song mit einer eigenen Dramatik und Tiefe beseelt, jeder für sich mit einem anderen Blickwinkel auf Ups & Downs, Love & Hate und Dos & Don'ts gesegnet. Geschrieben aus einem mit offenem Herzen und noch offeneren Augen gelebten Leben.
Das alles beginnt mit dem Opener "Halloween Costume", der einem den anstehenden Herbstbeginn ganz vorsichtig ins Ohr flüstert und im weiteren Verlauf melancholisch ankumpeln und umarmen möchte. Aber keine Angst! Hier plant niemand einen Schunkelabend, auch wenn man nicht umhinkommt, sich ein wenig zu den Klängen der Musik hin und her zu wiegen. Während sich das Stück nun also immer weiter steigert und aufbaut... um nicht zu sagen aufbäumt, mit immer neuen Instrumenten und Klangfarben versehen seinem dramatischen Ende entgegen schreitet, ereilt das Audi(o)torium dann irgendwann mitten im hymnischen Refrain die Erkenntnis, dass Flügelhörner tatsächlich einen fantastischen Klang und eine dramaturgische Daseinsberechtigung haben und dass Auto-Tune sparsam und sinnvoll eingesetzt auch richtig cool sein kann. Und nachdem all dies schlussendlich die Hände von der Gurgel genommen hat und man die Gänsehaut entdeckt, die sich beinahe unbemerkt gebildet hat, fällt alles wieder in sich zusammen... die Muskeln im Ohr entspannen sich schlagartig und man bekommt eine Middle 8 lang die Zeit zugestanden, sich an
The Mountain Goats und Okkervil River erinnert zu fühlen, ehe ein Metallica meets Van Halen Staccato/Tapping/Double Bass-Part das Finale Furioso einleitet und der Song fast schon überraschend endet. Aber wirklich nur fast! Denn wenn ich das alles noch mal Revue passieren lasse, frage ich mich sowieso, wie dieser Typ all diese Feelings in nur knapp über 3 Minuten gepackt bekommt...
Danach folgt dann die emotionale Reha in Form des titelgebenden Songs "Autumn Falls", bei dem Gregor McEwan uns dann den Connor MacLeod macht... meint: Nach einem gefühlvollen Picking erklingt eine dominante, volle Westerngitarre und die väterlich dunkle Stimme des Protagonisten übernimmt ganz klassisch das Protektorat über unsere Emotionen. So beschützt einen in diesem Song der Held der Geschichte und teilt uns klanglich mit, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Wie ein in die Scheide zurückgestecktes Beidhänderschwert, an dem man sich so verwahrt nicht mehr schneiden kann, es aber in seiner Nähe weiß, wenn es doch gefährlich werden sollte. "Autumn Falls" also - doch wer angesichts dieses Refrains keinerlei Hoffnung verspürt, dem kann ich auch nicht mehr helfen!
Auf die „Ohhhs & Ahhhs“ aus McEwans Fachgeschäft der pittoresken, emotionalen Alltäglichkeiten und Besonderheiten kam ich ja bereits zu sprechen. Das dritte Stück der EP gibt mir nun sogar mittels des Titels Recht: "Ode To Oh" heißt und ist es. Und das „Oh“ steht hierbei natürlich sowohl für die phonetische Tatsächlichkeit, als auch für das Gefühl, welches dieser Ausspruch immer auch transportieren kann. „Oh Lord!“ sang Janis Joplin, „Oh, oh, I love her so!“ krakeelte einst Joey Ramone. Und wer sich in solch illustrer Gesellschaft befindet, der sollte ja wohl eh über alle Zweifel erhaben sein, oh-oh-oder?
Zu guter Letzt erwärmt der Künstler dann mit "Forever Ago" unser etwas wehmütiges Hörerherz, da sich die "Autumn Falls EP" mit diesem weise gewählten Stück dem Ende zuneigt. Und noch einmal packt dieser musikalische Actionheld hier all seine Superkräfte in nur einen einzigen Song, der dramatische Schwere und leichtfüßige Hoffnung in Sicht vereint. Sicht? Ja! Wobei wir das, oder die „Sicht“ im vorangestellten Satz der Worterkennung des Laptops meiner Freundin zu verdanken haben, auf dem ich sicht(!)lich gerührt die hier vorliegenden Zeilen verfasst habe. Doch es ist auch McEwans persönliche Sicht auf die Welt und die Dinge, die sich bei diesem Song überall herauslesen lässt und ihn dann ganz zum Schluss nochmals noch sympathischer macht,
als die Tatsache, dass er einem versoffenen Punk dereinst den Zucker in die Kaffeetasse getan und umgerührt hat. Wobei mich persönlich bereits das überzeugt hatte!
Haben Sie Freude an diesen Liedern... nein! Werken... und genießen Sie deren Stimmung und Klang so sehr, wie ich es tue. Ich wünsche es Ihnen von Herzen. Eine Ode an’s „Ohhh & Ahhh“!
Herzlichst
Ihr Jörkk Mechenbier